Blog | Tattoos & Schmerzen

30. Mar 2020

Tattoos & Schmerzen

Auf die Frage, ob ein Tattoo an dieser oder jener Stelle besonders schmerzt, gibt es keine eindeutige Antwort. Hier findest Du ein paar Tips für gutes Schmerzmanagement.

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Die häufigsten Fragen, die ich im Vorgespräch zu einem Tattoo gestellt bekomme, sind: “Tut das sehr weh?“, “Welche Stelle schmerzt am meisten?“. Die schlechte Nachricht ist, es gibt darauf keine eindeutige Antwort. Die gute Nachricht: Ihr habt es größtenteils selbst in der Hand, ob eure Tattoositzung entspannt verläuft, oder eine Tortur wird!

Was ist Schmerz?


Man unterscheidet zwischen akuten und chronischen Schmerzen (länger als 6 Monate). Der akute Schmerz ist eine Warn- und Schutzfunktion unseres Körpers und hat die Aufgabe, uns Schädigungen aufzuzeigen und weitere Schäden durch Ausweichen (wegzucken) zu verhindern. Schmerzrezeptoren “melden“ einen Schaden als Signal über Nervenbahnen zum Rückenmark und weiter zum Gehirn, wo dieses durch verschiedene Faktoren bewertet wird.
Das Schmerzsignal kann verschiedene Intensitäten haben (ein Hammerschlag vor das Knie produziert ein stärkeres Signal als ein Kratzer auf der Haut) und vor Ort durch Entzündungsstoffe zusätzlich erhöht werden (eine Berührung der Haut auf einem Sonnenbrand schmerzt, auf gesunder Haut nicht). Zum Schmerzempfinden wird es aber erst nach der Bewertung durch unser Gehirn!

Schmerzmodulation


Das Gehirn ist nicht darauf ausgelegt, freiwillig Schmerzen zu empfangen, kann aber die gesendeten Signale als mehr oder weniger gefährlich einstufen. Dies geschieht durch Schmerzmodulation, eine Veränderung der (Schmerz-)Wahrnehmung, gesteuert durch neuronale Prozesse des zentralen Nervensystems.
Einfacher gesagt: Durch unsere Gefühle, Gedanken und unseren physischen und psychischen Zustand können wir unsere Schmerzwahrnehmung beeinflussen.

Endorphine


ENDogene (im Körper hergestellte) mORPHINE (Opioide, schmerzstillende Mittel) beeinflussen die Bewertung des Schmerzsignals im Gehirn maßgeblich. Wenn Du Dich also riesig auf Dein neues Tattoo freust, anstatt Dir Sorgen zu machen, ob es wehtun wird, produzierst Du Dein körpereigenes Schmerzmittel!

Durch Achtsamkeitsübungen wie Yoga, Meditation oder Visualisierung können wir unseren Geist trainieren, welche Gedanken wir zulassen und worauf wir unseren Fokus lenken. Solche Praktiken helfen nicht nur der inneren Ruhe und Ausgeglichenheit, sondern kräftigen die Fähigkeit, unsere Gedanken bewusst zu steuern. Das heißt, Du kannst entscheiden, welchen Stellenwert der Tattooschmerz gerade für Dich hat und somit die Bewertung im Gehirn über seine Intensität steuern. 

Zusammengefasst kannst Du also bewusst beeinflussen, wie das Schmerzsignal, das die Tattoonadel verursacht, von Deinem Gehirn bewertet wird:

  • Komme unbedingt ausgeschlafen und körperlich fit zu Deinem Termin!
  • Keinesfalls krank tätowieren lassen! Neben der Infektionsgefahr erhöhen Entzündungsherde und schlechter Allgemeinzustand das Schmerzempfinden. Dies kann auch gelten, wenn Du Dich während Deiner Periode tätowieren lässt. Die Monatsblutung ist natürlich keine Krankheit, aber der Körper befindet sich in einem intensiven Reinigungsvorgamg und ist mitunter geschwächt und empfindsam.
  • Fokussiere Dich auf die Freude über das neue Tattoo, nicht auf die Angst vor den Schmerzen (hierfür hilft es, wenn Du wirklich überzeugt von Deinem Tattoomotiv bist und Dich bei Deinem Tätowierer 100% wohlfühlt).
  • Gib Dir Zeit, Dich an den Tattooschmerz zu gewöhnen und Dich darauf einzulassen.
  • Mentale Techniken und Konzentrationsübungen helfen, den Fokus weg vom Schmerz und auf ein anderes Thema zu lenken. Ersatzweise hilft auch Musik, Hörbücher, Gespräche oder einfach auf Instagram neue Tätowierer entdecken! Sprich in jedem Fall mit Deiner/m TattooartistA* ab, was auch für ihn oder sie* ok ist. Manche KünstlerInnen brauchen Ruhe zum Arbeiten oder Deine Körperhaltung beim Tätowieren erlaubt z.B. keine Handybenutzung.
  • Nach einer Pause wird es nicht unbedingt besser, eher das Gegenteil. Du musst Dich wieder neu auf den Schmerz einstellen, nachdem Dein Körper sich daran gewöhnt hat, dass es vermeintlich „vorbei“ ist. Versuche stattdessen, Dich wirklich auf das Tätowiergefühl einzulassen.

Schmerzhafte Körperstellen


Natürlich gibt es dennoch Körperstellen, die beim Tätowieren mehr oder weniger schmerzhaft sind, obwohl auch dies höchst individuell sein kann. Im Allgemeinen lassen sich Tattoos an den Gliedmaßen sehr entspannt ertragen, Hände und Füße wiederum können Dir schon ein bißchen Durchhaltevermögen abverlangen. Alle Körperstellen, die mehr Richtung Rumpf gehen, insbesondere Rippenbogen, Solarplexus, Bauchregion oder auch Wirbelsäule, sind häufig schmerzempfindlicher als Arme oder Beine. Auch die zarte Haut an der oberen Arminnenseite, den Kniekehlen und Innenschenkeln ist mitunter sehr empfindlich.

Dazu kommt besonders bei Stellen am Rumpf, wie auf der Brust oder den Rippen, dass Du dort sehr gut mitarbeiten und Deinen Atem gut kontrollieren musst, damit Dein/e TätowiererIn* sicher arbeiten kann. Neben den Schmerzen kann das zusätzlich sehr anstrengend sein. Auch bei schmerzhafteren Körperstellen gilt: Akzeptiere Dein Schmerzgefühl, bleibe entspannt und atme ruhig weiter. Sich zu verspannen intensiviert den Schmerz nur. Akzeptiere auch, wenn Du einfach nicht mehr kannst. Jeder Körper hat Grenzen und Du solltest Deine akzeptieren.

Betäubung


Es gibt verschiedene Betäubungscremes auf dem Markt, die auch rezeptfrei zu bekommen sind. Diese wirken meist lokal, auf Basis von Lidocain, das an der aufgetragenen Stelle die Botenstoffe, die das Schmerzsignal über die Nervenbahnen an das Gehirn senden, hemmt. Diese Cremes sind allerdings mit Vorsicht anzuwenden und in jedem Fall mit Deinem/r TattooartistA* vorher abzusprechen.

  • Lidocain kann ein Allergikum sein und hat Nebenwirkungen, Du solltest also die Benutzung eventuell vor dem Tattootermin auch mit Deinem Hausarzt absprechen.
  • Es gibt inzwischen verschiedene Schmerzsalben, die unterschiedlich wirken.
  • Bei den meisten müssen die Gefäße geöffnet sein, damit die Betäubung wirken kann, was ein Aufquellen der Haut zur Folge hat. Damit ist unter Umständen die Grundlage für saubere Linienführung nicht mehr gegeben. Außerdem ist die Wirkungsdauer der Cremes- besonders unter Sauerstoffeinfluss- beschränkt- und danach der Schmerz umso intensiver, da sich das Gehirn ja nicht darauf einstellen und ihn als “ungefährlich“ einstufen konnte.

An erster Stelle sollte immer die Qualität Deines Tattoos stehen - dafür lohnt es sich auch, ein paar Stunden Schmerzen auszuhalten. Mit meinen Tips für Dich sollte das auch gar nicht mehr so schwer sein 


Ich hoffe, dieser Artikel konnte Dir weiterhelfen und freue mich sehr über Anregungen, Kritik und Themenvorschläge!

Zum Weiterlesen empfehle ich Dir: https://feelfarbig.com

Dort gibt es viele Artikel zum Thema rund um Dein Tattoo und auch einen Hintergrundartikel zu Betäubungssalben.